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Mohnfeld

Menschen mit Behinderung

 

Von der Arbeit mit Menschen mit Behinderung

 

Das Arbeiten mit Menschen der Wohngemeinschaften der Karl-Schubert-Gemeinschaft war für mich eine große Herausforderung und ist doch bis heute eine große Bereicherung in meinem Leben. Eine Herausforderung deshalb, weil ich selbst einen Bruder mit Down Syndrom hatte. Meine Eltern waren überfordert mit dem Thema und mit dem Leben, das damit einherging. In der damaligen Zeit erfuhr man im Allgemeinen noch nicht die Offenheit, die Akzeptanz und die Bereitschaft zu Unterstützung wie heute. 

In der gemeinsamen Zeit unseres Übens erlebte ich nun die ungebremste Offenherzigkeit meiner Teilnehmer, ihre Freude an Kleinigkeiten, die Lust am Erleben und die Bereitschaft zu Freude und zu Liebe – auch wenn dies bei manchen anfangs hinter größter Zurückhaltung versteckt nur aufblitzte. Diese Erfahrung hat meine Sichtweise auf das Leben mit verändert und bereichert mich bis heute in Erinnerungen und neuen Begegnungen.

 

Die Teilnehmenden hatten eine körperliche und geistige Beeinträchtigung, welche in Ihrem Ausdruck der Behinderung variierte. Am Anfang konnten wir höchstens zweimal 5 bis 10 Minuten üben. Dazwischen mussten wir uns hinsetzen und ausruhen. Ihre ganz eigene Art gemeinsam zu üben, sich in aller Offenheit selbst zu erleben und auch auszuleben, war neu und beeindruckend für mich. 

Ich hätte mir nicht vorstellen können, wie sich unsere gemeinsame Zeit im Laufe der Jahre entwickelt hat. Wir konnten später bis zu 40 Minuten die Aufmerksamkeit halten, tanzen und üben. Am Ende legten sich alle auf eine Matte, was mit großer Begeisterung getan wurde. Sie spürten nach und warteten geduldig darauf, in dem Moment, in dem meine Hand - wie bei einer Shiatsu Behandlung - auf ihrem Bauch lag, Vertrauen und Verbundenheit zu erleben. Und das haben wir dann auch in den Übungsstunden miteinander gespürt. 

 

Es geht nicht um die Ausdehnung der Länge einer Übungszeit oder auch um das Steigern von Kraft. Es geht um das Entdecken der Kraft in uns und um die wachsende Bereitschaft und Freude daran, Neues in uns zu erleben und Impulse auszuführen. Und immer geht es auch um das Gefühl von Gemeinschaft und Verbundenheit. 

Nach Wochen der Anfangsschwierigkeiten bezüglich Kraft und Ausdauer, Bereitschaft und Verständnis (meinerseits) kamen alle freudig und erwartungsvoll in den Unterricht, waren „empört“, wenn er ausfiel. Die Freude am Entdecken und die Sicherheit, die die Wiederholung schenkt, wurde mit Lächeln und Umarmungen reichlich vergütet.

 

Evelin Seyffert-Heinrich | Eichwasenring 17, 72654 Neckartenzlingen

Evelin.seyffert-heinrich [at] t-online . de

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